Die Lernbereiche des Orientierungsplans und die Umsetzung in der Kindertagesstätte
Alle Lernbereiche des Orientierungsplans des Landes Niedersachsen finden sich in den einzelnen Räumen der Kindertagesstätte, in Funktionsbereichen und Lernwerkstätten wieder. Sie beeinflussen, neben der grundsätzlichen Sicht auf frühkindliche Bildungs und Entwicklung, auch Raumnutzung und Materialauswahl. Die Bildungsbereiche und das Verständnis für frühkindliche Bildung lassen sich nicht auf einzelne Räume begrenzen, sondern ziehen sich durch den Alltag der Kinder und prägen den Umgang miteinander und die Art und Weise, wie gelernt wird und worin die Mitarbeiter/innen ihre Aufgabe sehen. Das gilt in besonderem Maße für den Lernbereich Bewegung und Gesundheit, denn Bewegung als Grundvoraussetzung für jedes Lernen findet bei uns überall statt, ebenso alltagsintegrierte Sprachförderung oder Entwicklung der lebenspraktischen oder sozial-emotionalen Fähigkeiten.
Das "Schneckenhaus" ist ein Haus, in dem das Kind in seiner Einzigartigkeit im Mittelpunkt steht. Uns ist es dabei besonders wichtig, dass sich bei uns Familien, Eltern und Kinder wohlfühlen. Gerade bei kleinen Kindern müssen Signale genau beobachtet werden und die individuellen Bedürfnisse bedacht werden. Jedes Kind soll lernen, eigene Bedürfnisse und die der anderen zu erkennen und ihren Alter und Entwicklungsstand entsprechend zu berücksichtigen.
Gemäß SGB VII § 8a haben wir den gesetzlich festgeschriebenen Auftrag für den Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung der uns anvertrauten Kinder. Es ist somit unser Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass das Wohl des Kindes zu jeder Zeit sichergestellt ist.
In unserer Kindertagesstätte wird eine achtsame und annehmende Haltung vorgelebt. Die Gefühlsäußerungen der Kinder werden respektiert, wir helfen, diese zu verbalisieren, reagieren angemessen darauf und arbeiten intensiv daran, uns in Vorbildfunktion mit der eigenen Emotionalität auseinanderzusetzen.
Das Kind sucht seine erste Bezugsperson in der Kindertagesstätte möglichst selber aus. Die/der Bezugserzieher/in sorgt für eine sanfte Eingewöhnung, die Befriedigung der kindlichen Grundbedürfnisse und begleitet es auf dem Weg in andere Kontakte und Spielaktivitäten.
Wir praktizieren eine ausgewogene Altersmischung, in der die jüngeren Kinder durch Nachahmung von den Älteren lernen können, aber auch genügend gleichaltrige Spielpartner finden, um auf einem ähnlichen Entwicklungsstand zu spielen und zu kommunizieren. Spielzeiten, Tagesablauf, Räumlichkeiten und Materialangebote werden möglichst individuell auf die einzelnen Altersgruppen abgestimmt.
Kinder lernen in ihrer emotionalen Entwicklung, dass Jungen und Mädchen verschieden sind. Sie müssen eine Geschlechterrolle als Junge oder Mädchen entwickeln.
In unserem Team arbeiten Männer und Frauen mit unterschiedlichen Aufgaben und Rollenverständnissen, so dass die Kinder verschiedene Möglichkeiten der Identifikation geboten werden.
In unserer Kindertagesstätte haben wir eine breite Altersmischung und Kinder mit besonderem Förder- und Betreuungsbedarf. Alle haben einen Anspruch auf eine ihrem Entwicklungsstand angepasste Herausforderung und Förderung kognitivere Fähigkeiten. Dies geschieht, indem ihnen Alltagsgegenstände, Materialien zur sinnlichen Wahrnehmung und zum experimentellen Umgang zur Verfügung stehen. Dabei werden sie aktiv und beobachtend begleitet und auch unterstützt bei der Dokumentation ihrer Lernschritte. Sie benötigen einige wenige Materialien speziell für ihre Altersstufe. Viele Materialien in unserem Kindergarten sind "Sachen zum Spielen", die, unterschiedlich benutzt und angeboten, für alle Kinder spannend und auffordernd sind.
Das offene Konzept bietet die Möglichkeit für jedes Kind mit anderen, auf seiner Entwicklungsstufe stehenden Kindern, zu spielen und zu lernen. Es bietet aber auch die Chance, als jüngeres Kind Handlungsabläufe von Älteren abzuschauen und nachzuahmen oder als älteres Kind Gelerntes zu vertiefen, in dem es an Jüngere weitergegeben wird. Dadurch bleibt den Erziehern/innen mehr Zeit für Kinder, die eine besondere Betreuung oder eine konkrete Begleitung bei ihrem nächsten Entwicklungsschritt brauchen.
Wir vertrauen dem kindlichen Willen zur Entwicklung, seiner Neugierde und Lernfreude und bemühen uns, das Kind dabei nicht allzu sehr zu stören durch unsere Pläne, sondern es zu unterstützen durch unsere Freude an seinem Tun, seinem Erfolg und seinem Weg.
Es gibt in unserem Haus einen ständig geöffneten Bewegungsbereich (einen Gruppenraum), der von Mitarbeiterinnen betreut wird, die in Bewegungserziehung umfassend ausgebildet sind. Verschiedenste Materialien für alle Bewegungsbedürfnisse und großflächige Rollenspiele unterstützen die Kinder, Körperbewusstsein, Geschicklichkeit sowie Koordinationsfähigkeit selbstständig zu erproben und zu entwickeln. Durch die größere Altersmischung ist es notwendig, besondere Bewegungsangebote für die jungen Kinder zu schaffen, bei denen sie sich im geschützten und doch auffordernden Rahmen körperlich erproben können. Dieses gilt auch für das Bedürfnis vieler entwicklungsverzögerter oder in ihrer Wahrnehmung überempfindlicher Kinder. In der Praxis nutzen wir vor allem die Zeiten, in denen die größeren Kinder in der Turnhalle oder in der Schulklasse sind. Außerdem sind in vielen Räumen Bewegungsanreize durch unterschiedliche Spielebenen und Schrägen gegeben.
Im Außenbereich, der von allen Kindern egal welcher Altersstufe gefahrlos genutzt werden kann, geschieht dieses in vielen versteckten Spielecken und Rückzugsmöglichkeiten. Aktuell wurde gerade der letzte Bereich der Außenfläche von Eltern, Team und Kindern naturnah und altersübergreifend gestaltet. Ein Kombi-Klettergerüst wurde abgebaut, dafür entstand eine große Sand-, Wasser- und Matschspielfläche. Eine "Gärtnerei" mit Hochbeeten, deren Produkte in der Küche verarbeitet werden, rundet das Angebot ab. Die gepflasterte Fahrspur (Feuerwehrzufahrt zur Schule) wird als Fahr- und Übungsstrecke für den Umgang mit Fahrzeugen und Inlinern genutzt.
Ein "Zaubergarten" bietet Möglichkeiten für ruhiges Spiel, Ausruhen und Anhalten, Naturbeobachtung und Sinneswahrnehmung besonderer Art mit einem kleineren Sandkasten, Hängematte, Weidenzelt, Wasserpumpe, unterschiedlichen Bodenbelägen und einem großen Hügel. Außerhalb der Kindertagesstätte nutzen wir fast täglich die Turnhalle der Grundschule für feste Turntage, Psychomotorikangebote, den Sportplatz zum Fußballspielen. Die freie Natur rund um das Dorf, unsere ländliche Lage bieten sich an für Exkursionen und Erkundungsgänge.
In unserer Arbeit ist es uns zunächst wichtig, dem Kind die Sicherheit zu vermitteln, dass „sein Wort zählt, gehört und beachtet wird und etwas bewirkt“. Die Freude am Sprechen, sich mitteilen und an der Kommunikation ist die Basis. Diese können wir fördern oder auch ermöglichen durch direkten Kontakt auf Augenhöhe, uneingeschränkte Aufmerksamkeit in Gesprächssituationen mit Kindern, aktivem verstärkenden Zuhören, sich hineindenken in die Themen des Kindes. Gerade bei jüngeren Kindern oder auch Kindern mit starken Einschränkungen ist es wichtig, jeden Ausdruck von Kommunikation wahrzunehmen, ihn sprachlich zu unterstützen und zu begleiten.
Wenn Erwachsene über das Kind hinweg, auf das Kind herab oder für das Kind sprechen, verhindern sie durch ihre Haltung, dass das Kind Sinn in der Kommunikation sieht und Spaß am Sprechen bekommt. Eine gute Sprachkultur unter Mitarbeitern und mit Eltern dient als Vorbild und prägt die Sprachkultur der ganzen Kinderkindertagesstätte.
Der Alltag in der Kindertagesstätte bietet fortwährend Gelegenheiten, die eigene oder die Tätigkeit des Kindes sprachlich zu begleiten. Vor allem ruhige und innige Situationen wie Körperpflege, Ruhephasen, Ankommen, Kuscheln aber auch wiederkehrende Handlungen wie die Mahlzeitenen, Anziehen, Aufräumen bieten sich dafür an. Übergänge im Tagesablauf mit einem Lied zu begleiten, Fingerspiele, Reime und Lieder, Stuhlkreisspiele, Erzählrunden im Gruppenkreis, Vorlesen oder freies Erzählen im Lesezimmer fördern die Freude am Sprechen und gehören zum Alltag. Bei den älteren Kindern wird diskutiert, verhandelt, werden Meinungen gebildet und verbalisiert, Entscheidungen getroffen und verschriftlicht oder verbildlicht. Das sind konkrete Vorbereitungen für den Erwerb der Schriftsprache.
Wichtig ist uns, dass Sprache und Spracherwerb alltagsintegriert stattfindet.
Darum sind wir seit einigen Jahren zertifizierte Sprachkita durch das Bundesprogramm“ Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“
Das bedeutet: unserer Einrichtung stehen zusätzliche Stunden für eine Sprachfachkraft, Fördermittel, Fachberatung und Fortbildungen zur Verfügung, um alltagsintegrierte Sprachanlässe in den Mittelpunkt unserer pädagogischen Arbeit zu stellen.
Unser Alltag in der Kindertagesstätte ist voll von Gelegenheiten, lebenspraktische Kompetenzen zu erwerben und einzuüben. Das beginnt damit, dass Kinder lernen, sich selbstständig an- und auszuziehen, ihre Sachen zu ordnen, bei der Frühstücksvorbereitung zu helfen, den Frühstücksplatz zu räumen und endet mit der Beteiligung an der Pflege des Gartens, des Naturteiches, der Weinbergschnecken und handwerkliche Tätigkeiten und Reparaturen in der Holzwerkstatt. Bei der Dokumentation ihrer Projekte und in den Lernwerkstätten lernen die Kinder mit dem Computer umzugehen, Bilder auszudrucken usw. Schon die Kleinsten lernen, ihren Frühstücksplatz selber herzurichten oder beim Wickeln eigenständig ihren Wickelkorb zu holen, die Hände zu waschen oder die Zähne zu putzen. Wir versuchen, alle Möglichkeiten zur Erweiterung lebenspraktischer Kompetenzen zu nutzen und somit die Selbstständigkeit der Kinder zu fördern. Dieses darf nicht durch Routine und Zeitdruck vernachlässigt werden und bedeutet, genügend Zeit für Schlüsselsituationen wie Essen, Anziehen, Aufräumen, Wickeln usw. einzuräumen. Die immer jünger werdenden Kinder bewirken auch eine „Entschleunigung“, was sicher allen zu Gute kommt.
In der Kindertagesstätte gibt es vielfältige Möglichkeiten zum Experimentieren mit Mengen, Formen, Größen und Volumen, die die Kinder selbstständig nutzen können. Sie klassifizieren schon beim Frühstück Besteck und stapeln beim Abräumen höchstens drei Tassen übereinander. Beim Aufräumen muss Spielzeug richtig sortiert, müssen Fahrzeuge im Außenbereich der Größe nach eingeräumt und Materialkörbe passend und gerade ins Regal geschoben werden. Während des Frühstücks beim Einschenken von Getränken oder beim Spielen an der Wasserpumpe lernen die Kinder einiges über das Volumen von Behältnissen und was passiert, wenn man zu viel einfüllt. All das erledigen die Kinder mit einiger Übung alleine und schulen dabei ihr mathematisches Grundverständnis.
In dem entsprechenden Lernbereich, im Bauraum und in der Vorschule gibt es viele Anlässe und Materialien, die sich konkret mit Zahlen, Mengen, Formen, Statik und dem Ordnen von Zeit beschäftigen.
In unserer Kindertagesstätte bietet sich die Möglichkeit zu ästhetischer Bildung besonders im Kreativbereich, dem die Kinder den Namen „Bastelcafé“ gegeben haben, weil es sich im gleichen Raum befindet wie der Essbereich. Hier werden verschiedenste Materialien übersichtlich und für Kinder frei zugänglich angeboten: unterschiedliche Stifte, Kreiden und Farben, Pinsel und Farbschwämme, verschiedene Sorten Papier und Pappe, Ton, Dekorations- und Ausgestaltungsmaterial, farbiger Sand, Naturmaterialien, Stoffe und Wolle usw. Sie sind so angeordnet und aufbewahrt, dass auch die kleinen Kinder für sie geeignete Dinge selbstständig auswählen können, ohne durch Materialien für die älteren Kinder gefährdet zu werden.
Die Kinder arbeiten an unterschiedlich hohen Tischen, im Stehen und im Sitzen, an Staffeleien, Spiegeln und auf dem Fußboden. Im Sommer verlegen wir den Kreativbereich in unser Sommeratelier auf die Terrasse, die an das Bastelcafé angrenzt, oder in die „Drachenburg“, einen ummauerten Treffpunkt im hinteren Bereich des Geländes der Kindertagesstätte. Hierzu laden wir gelegentlich Künstler und Künstlerinnen ein, uns ihre Arbeit zu zeigen und uns anzuleiten.
In unserer Holzwerkstatt (Blockhütte) und dem gepflasterten Platz davor arbeiten die Kinder mit Holz und anderen Materialien, mit „echten Werkzeugen und Geräten“. Sie bauen und konstruieren nach eigenen Plänen und führen kleinere Reparaturen unter Anleitung aus.
Musik und Theaterspiel gehören zum Alltag in unserer Kindertagesstätte. In jedem Gruppenkreis wird gesungen. Es finden regelmäßig Trommelworkshops statt mit afrikanischen und auch selbstgebauten Trommeln, Lieder werden mit Klanginstrumenten begleitet. Bei allen Festen, in Gottesdiensten und religionspädagogischen Angeboten werden Geschichten und Szenengespielt, und zum Abschluss des Vorschuljahres entwickeln die Vorschulkinder ein Theaterstück, eine Zirkusvorstellung, ein Musical, eine Vernissage oder ähnliches als Abschlussprojekt.
Seit Neuestem dokumentieren und gestalten wir im Team und mit den Kindern verstärkt mit Foto- und Filmkamera. Mitarbeiter lassen sich fortbilden im Umgang und Einsatz der neuen Medien. Die Kinder experimentieren und gestalten mit Hilfe des Computers an dem dafür vorgesehenen Arbeitsplatz im Lesezimmer.
In der gesamten Kindertagesstätte, bei Festen und Feiern, bei gemeinsamen Mahlzeiten legen wir großen Wert auf schöne Gestaltung und schöne Dinge. Überall geben wir dem Auge Gelegenheiten, zu verweilen: der Jahreszeitentisch im Eingang wird von den Kindern mitgestaltet, ihre Kunstwerke in Bilderrahmen hängen, neben gerahmten Kunstdrucken, überall im Haus, Blumen aus unserem Garten schmücken den Frühstückstisch der Kinder und den Kaffeetisch im Elterncafé. In einer Glasvitrine im Bastelcafé werden die besonderen Werke und Sammlungen der Kinder ausgestellt.
Wir verzichten bewusst auf vorgefertigte „Basteleien“ und überflüssige niedliche und bunte Dekorationen, auch darauf, die Fenster zu bemalen, es sei denn, es gehört zu einem Projekt.
Im naturnahen Gelände unserer Kindertagesstätte können die Kinder jederzeit Naturerfahrungen unterschiedlichster Art sammeln. Sie beobachten Tiere und Pflanzen im Feuchtbiotop; Bestimmungsbücher und Internet ermöglichen ihnen, die Namen und Gattungen herauszufinden. Sie pflegen Weinbergschnecken im Freigehege und beobachten und bestimmen Vögel, Insekten und andere Tiere. Sie helfen Eltern und Mitarbeiterinnenbei der Pflege des Außengeländes legen Blumen- und Gemüsebeete an und topfen Stauden für den Pflanzenmarkt ein. Ein Bauwagen, unsere „Ökobude“, dient als Stützpunkt und Sammelort für Fundstücke, Naturbücher, Dokumentationen und Sammlungen.
Die Umgestaltung des „Spielplatzes“ in „sinnvolle Außenräume“ ermöglicht jetzt allen Kindern, egal welchen Alters und welcher Entwicklungsstufe, gemeinsam gefahrlos zu spielen und experimentieren, ebenso aber auch Ruhe oder Abenteuer zu finden. Selbstbestimmte Aktivitäten und Erfahrungen sind ein wichtiger Bestandteil in der Entwicklung der Kinder. Viele Rückzugsmöglichkeiten, wie die mit Büschen und Bäumen zugewachsenen Verstecke, verschiedene Sitzecken geben dazu Gelegenheit.
Die Kinder bauen Aquädukte aus Wasserröhren und Regenrinnen, mit denen sie das Wasser aus der Handpumpe auffangen und weiterleiten. Sie pflastern mit Steinen, bauen mit Holz, Baumwurzeln und anderen Naturmaterialien. In regelmäßigen Abständen machen wir Feuer in unserer Feuerschale. Bei Exkursionen und Spaziergängen in die Meeden, durch das Dorf oder zu unserem Apfelbaum, für den wir die Patenschaft übernommen haben, lernen sie die Natur in ihrem Lebensraum kennen.
Dieser Lernbereich des Orientierungsplans gehört zum Grundgerüst der Arbeit in unserem evangelischen Kindergarten. Er bildet das evangelische Profil, zieht sich durch alle Bereiche und macht sich vor allem an der Haltung der Menschen deutlich, die in unserem Haus leben und arbeiten. In unserer Konzeption ist dieser Bildungsbereich im Punkt 4.2 "Religiöse Beheimatung und Begegnung" vorne genauer beschrieben worden.